26.01.2024,
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Strasbourg, Frankreich (ots/PRNewswire) - Parlament will
Aufarbeitung, offizielle Entschuldigung und Wiedergutmachungszahlung
an europäische Überlebende von Kindsmissbrauch in staatlichen oder
religiösen Institutionen
Die parlamentarische Versammlung des Europarats, dem 46 Staaten mit
über 600 Millionen Bürger:innen angehören, hat heute für die
Aufarbeitung der früheren Missbrauchsfälle nach dem Vorbild der
Schweiz gestimmt. Demnach soll das Leid der Überlebenden von
Kindsmissbrauch in den Mitgliedstaaten offiziell anerkannt werden,
die Betroffenen sollen – unabhängig einer allfälligen Verjährung –
eine Wiedergutmachungszahlung erhalten und eine wissenschaftliche
Aufarbeitung soll in jedem einzelnen Land stattfinden. Die
bahnbrechenden Empfehlungen des Europarats entsprechen den
Forderungen der europäischen «Justice Initiative», welche von Guido
Fluri («Widergutmachungsinitiative») lanciert worden war. Leitender
Berichterstatter in der Sache war der Schweizer Nationalrat
Pierre-Alain Fridez.
Die Vergangenheit kann nicht ignoriert werden
«Wer die Missbrauchsfälle von früher ignoriert, kann die
Missbrauchsfälle von heute und morgen nicht wirksam bekämpfen», sagt
der Schweizer Berichterstatter Pierre-Alain Fridez vor dem Parlament
des Europarats. «In Europa dürfen wir nie wieder die Augen
verschliessen vor dem Missbrauch von Kindern in öffentlichen,
privaten oder religiösen Einrichtungen, die eigentlich sichere Häfen
sein sollten». Diese Argumentation hat die Mehrheit der
Parlamentsmitglieder des Europarats überzeugt. Ein Bericht zur
Situation in Europa mit klaren Empfehlungen wurde heute abgesegnet.
Wie schon die zuständige Kommission des Europarats, die sich
einstimmig für einen umfassende Aufarbeitung ausgesprochen hatte,
will auch eine klare Mehrheit im Parlament die Missbrauchsfälle in
Europa nach Schweizer Vorbild aufarbeiten lassen: Das Leid der Opfer
soll europaweit anerkannt und eine Wiedergutmachung in den einzelnen
Ländern geleistet werden. Dabei geht es etwa um Missbräuche in
privaten, staatlichen und kirchlichen Heimen, Misshandlungen bei
Pflegeinstitutionen und Zwangsadoptionen.
Aufarbeitung nach Schweizer Vorbild
In der Schweiz hatte eine Volksinitiative, die
«Wiedergutmachungsinitiative» der Guido Fluri Stiftung, zu einem
staatlichen Gesetz geführt, das die Anerkennung des Unrechts, die
wissenschaftliche Aufarbeitung sowie die Solidaritätszahlung ins
Zentrum stellte. Über 12'000 Überlebende von Kindsmissbrauch haben in
der Folge eine offizielle Anerkennung des Unrechts und eine
Solidaritätszahlung erhalten, und die Missbrauchsfälle wurden
staatlich aufgearbeitet.
Aufgrund dieser erfolgreichen Wiedergutmachung haben sich
Opfergruppen und Kinderschutzorganisationen aus ganz Europa im Rahmen
der «Justice Initiative» zusammengeschlossen und sich für eine
ähnliche Gesetzesvorlage auf Stufe Europarat stark gemacht. Dieses
Projekt wurde wiederum von der Guido Fluri Stiftung getragen. «Dass
der Europarat eine umfassende Aufarbeitung beschlossen hat, ist für
Überlebende aus ganz Europa eine Sternstunde! Die europäische
Gemeinschaft muss alles unternehmen, damit die Betroffenen von
Kindsmissbrauch noch zu Lebzeiten eine Form der Gerechtigkeit
erfahren», so Initiator Guido Fluri nach der Abstimmung des
Europarats.
Lösung des Europarats hat Vorbildcharakter
Die parlamentarische Versammlung des Europarats verlangt von seinen
Mitgliedsstaaten (Doc. 15889 - Report - Working document (coe.int)),
dass sie zunächst eine Bestandesaufnahme der Situation des
Kindsmissbrauchs in den Einrichtungen ihrer Länder vornehmen. Die
Ermittlungen müssen umfassend sein und sich auf körperliche, sexuelle
und psychische Misshandlungen erstrecken. Dazu gehören die
institutionelle Betreuung in öffentlichen, privaten oder religiösen
Einrichtungen, unzureichende Pflege, die Betreuung in privaten
Heimen, die Wegnahme von Kindern von Eltern, die als "untauglich"
gelten, Zwangsadoptionen und Zwangssterilisationen. Die Behörden
sollen dann das zugefügte Leid anerkennen und, wenn möglich, eine
angemessene Behandlung der Folgen anbieten. Im Anschluss daran sollen
sich die Behörden offiziell bei den früheren und heutigen Opfern
entschuldigen.
Den Opfern muss unabhängig von ihrem Alter eine Entschädigung gewährt
werden: Es muss eine offizielle Entschädigung für alle Opfer geben,
für alle Kinder, die irgendeiner Form von körperlicher, sexueller
oder psychologischer Gewalt ausgesetzt waren, und zwar ohne zeitliche
Begrenzung der Frist für die Feststellung des Sachverhalts. Die
Zeitspanne zwischen der Begehung des Missbrauchs und seiner
Aufdeckung durch das Opfer darf daher keine Rechtfertigung für die
Verweigerung einer Entschädigung sein. Die Höhe der zuerkannten
Entschädigung muss erheblich sein und in einem angemessenen
Verhältnis zu dem verursachten Schaden und Leid stehen. Schliesslich
müssen die Staaten ein umfassendes Programm von Präventions- und
Sensibilisierungsmassnahmen einleiten, einschliesslich der
Überwachung von institutionellen Betreuungseinrichtungen und jeder
Situation, in der Kinder in Obhut genommen werden, um Risiken zu
minimieren und Probleme in einem möglichst frühen Stadium zu
erkennen.
Schweizer Botschafter betont den Mehrwert des Europarats
Der Ständige Vertreter der Schweiz beim Europarat, Botschafter Claude
Wild, ist erfreut über diese wichtige Resolution, die von der
Parlamentarischen Versammlung angenommen wurde. Ebenso erfreut ist er
über den substanziellen Beitrag, den die Schweiz mit dem
ausgezeichneten Bericht von Pierre- Alain Fridez und den guten
nationalen Praktiken der Schweiz, die als Modell angeführt werden,
geleistet hat. Diese Resolution zeigt den Mehrwert des Europarats als
einzigartiges Forum für den Austausch nationaler Erfahrungen zu
Situationen, in denen die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit
verletzt werden und verschiedene Länder betreffen. Um die
Öffentlichkeit, insbesondere künftige Generationen, für diese
schweren Taten an Kindern zu sensibilisieren und zu verhindern, dass
sie sich wiederholen, äussert Botschafter Claude Wild den Wunsch,
dass die Arbeit der Parlamentarischen Versammlung auf
zwischenstaatlicher Ebene fortgesetzt wird. Die Mitgliedstaaten des
Europarats sollten vom Ministerkomitee ermutigt werden, das Unrecht
der Vergangenheit anzuerkennen und aufzuarbeiten sowie den Schaden
der Opfer wiedergutzumachen.
Media Corner :
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Für weitere Informationen und Interviewanfragen:
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Die digitale Version des Buches "SHAME - European Stories" finden Sie
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